Hass macht hässlich

Und er macht hässliche Sachen
 - mit denen, die er trifft.

 

 

Ich habe Glück. Man sieht mir meine europäische Abkunft an, ich spreche meistens super Deutsch, auf den ersten Blick fällt nicht auf, dass mein Humor manchmal etwas gewöhnungsbedürftig ist, und dass ich eine Frau bin, damit können die meisten meiner Artgenossen gut umgehen. In der Regel bin ich auch nett zu meinem Mitmenschen, ich bemühe mich, niemanden allzu grob auf den Schlips zu treten und lasse sogar gewohnheitsmäßige Kassendrängler vor, weil ich die Ellenbogen lieber nicht in den Rippen habe.

Eigentlich sollte ich zum Thema Hass nichts sagen können, außer: Das finde ich blöd.

 

Ist aber nicht so.

 

Ich weiß sehr genau, wie es sich anfühlt, wenn sich hassdunkle Augen in meine bohren.

Ich weiß, wie es sich anfühlt, in ein Gesicht zu blicken, in dem jeder Muskel Abscheu ausdrückt.

Ich weiß, wie es ist, beschimpft zu werden

Wie es ist, für Dinge angegiftet zu werden, von denen ich nicht einmal gehört hatte.

Ich weiß, was es heißt, gemieden zu werden, wie es ist, wenn ein Gespräch abrupt verstummt, wenn ich einen Raum betrete.

Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man angebrüllt wird, wenn der Speichel vor Wut spritzt, wenn Worte explodieren und man nie sicher weiß, ob es bei Worten bleibt.

Ich weiß, wie es ist, keine Schuld in sich zu finden und trotzdem Schuld zu sein, wie es ist, wenn man eigentlich denkt, man würde nichts verkehrt machen, wenn man einfach nur da ist, still ist, nett ist, sicherheitshalber schweigt.

 

Wenn ich daran denke, kann ich es wieder spüren, die Spannung kriecht zurück in meinen Nacken, in meinen Kiefer, mein Herz klopft schneller, die Hände werden feucht. Dabei ist das lange her. Ich war noch halb ein Kind, zwischen 10 und am Ende 19 Jahre alt. Seit 15 Jahren bin ich aus der Nummer raus, lebe mit 180 Sicherheitskilometern zwischen mir und dem Hass. Um mich ist niemand mehr, der mich anblökt, niemand, der mir das Gefühl gibt, ein Stück Scheiße zu sein und an allem Schuld.

 

Die letzten 15 Jahre habe ich damit zugebracht, mein Selbstwertgefühl wieder zu finden, es halbwegs zu restaurieren. Ich habe die Zeit damit zugebracht, meine Wünsche, meine Grenzen langsam genauso ernst zu nehmen, wie die der anderen.

 

Ich habe mühsam gelernt, dass ich da sein darf. Dass es okay ist, Freunde zu haben, dass es nicht ein unverdientes Wunder ist, sondern völlig normal, wenn Leute mich grüßen, mich fragen wie es mir geht. Wenn sie sich freuen, mich zu sehen. Dass sich jemand über ein Lächeln von mir freut, mich nach meiner Meinung fragt, mir einen Platz anbietet - manchmal überrascht mich das immer noch.

 

Warum ich so gehasst wurde, warum man mir nur das Schlechteste unterstellte, mich beschimpfte, mit eisigen Blicken durchbohrte?

 

Ich hatte einfach Pech: Meine Mutter hatte eine psychische Störung. Sie war von Angst zerfressen, hatte Wahnvorstellungen, war sich keines Menschen sicher.

Sicher war nur eines: Ich war der Feind.

 

Und auch wenn ich weiß, dass sie halt nicht anders konnte und es nicht meine Schuld war, dass der Storch mich ausgerechnet in ihre Arme legte - es tut immer noch weh.

 

Der Schatten des Hasses reicht lang ...