Geschichten-Magie Teil I - Textbeitrag

Eigentlich wusste ich immer, dass ich Geschichten erzählen will - sie kamen schließlich zu mir und es fühlte sich richtig an, sie niederzuschreiben. Aber manchmal kommen mir noch immer Zweifel, ob es nicht besser wäre, fest in der Realität zu leben. Ob ich nicht flüchte, wenn ich schreibe und ob lesen nicht auch eine Flucht ist, eine Möglichkeit zu träumen, statt sich den Dingen zu stellen, wie sie sind.


Mit solchen Argumenten kann man sich brav im Funktionieren halten. Kein Problem. Aber ohne Geschichten zu erzählen, ohne welche zu hören oder zu lesen, ist die ganze Realität für die Katz. Warum?

 

Genau das habe ich für mich ergründet und ich teile es gerne mit euch.

 

Im ersten Teil gebe ich einen Überblick über die Vielschichtigkeit des Lebens und die damit verbundenen Geschichten. Weitere Teile folgen und sollen in eine Beschreibung meiner persönlichen Herangehensweise beim Geschichtenerzählen münden.

 

Also viel Spaß auf der Entdeckungsreise!

Wozu braucht die Welt Geschichten

Ganz klar: um nicht auseinander zu fallen.

 

Beweise für diese kühne Behauptung gefällig? Bitte sehr:

Der Mensch und seine Geschichten gehören untrennbar zusammen.

 

Was ist eigentlich eine Geschichte?

Ein Geschehens-Ablauf, der Sinn ergibt. Nichts weiter.

Das kann ein zweizeiliger Witz sein oder ein Roman mit 800 Seiten.

Wir erwarten, dass uns eine Geschichte am Anfang verortet, dass sie uns sagt, wo wir stehen, von welchen Voraussetzungen ausgegangen wird, wir wollen die Akteure vorgestellt bekommen, falls wir sie nicht kennen. Und dann wollen wir endlich wissen, warum man uns die Geschichte erzählt. 

Es gibt Verwicklungen, Wendungen, Schwierigkeiten und Spannung - und dann endlich erfahren wir es, das Ende. Den Grund, warum es einen Anfang gab und die all die Kniffe dazwischen und warum man und das alles erzählt.

Bei einer guten Geschichte scheint es, als ob Anfang, Mittelteil und Ende gleichzeitig entstanden, als ob sie im Ganzen aufs Papier gesunken wäre. Man könnte nicht sagen, ob der Anfang zuerst da gewesen ist oder der Schluss, denn jedes Element der Geschichte IST die Geschichte, nichts davon ist überflüssig oder verwässert sie. Mit dem Ende gewinnt jedes Wort Bedeutung, bis hin zum Allerersten.

 

Stell dir einen Tag vor, an dem du keine Geschichte erlebst.

Unmöglich!

Alltags-Erlebnisse verfrachten wir vollautomatisch in ein Bedeutungs-Schema, ordnen sie unserem Weltbild gemäß ein und machen einen Deckel darauf. Geschichte fertig, die nächste bitte. Herausragende, überraschende, ärgerliche, lustige Geschichten haben noch einen anderen Zweck: Wir sammeln ihre Einzelteile in unserem Zwischenspeicher und wenn uns ein geeigneter Mitmensch begegnet, erzählen wir ihm empört oder glücklich davon. 

Wir erzählen die Geschichte möglichst unter Einhaltung der üblichen Erzählregeln, die schon Kinder lernen, ohne es zu merken: Wir beginnen am Anfang. Dort, wo sich der Keim dessen findet, was wir später als Pointe nutzen wollen. Wir lassen alles zwischendurch weg, was nichts zur Sache tut und betonen Vorzeichen und Verwicklungen, die letztlich dazu führen, dass nur dieses eine lustige, überraschende, unwahrscheinliche Ende eintritt. 

Wenn wir unser Publikum richtig gewählt und beim Erzählen keine groben Fehler gemacht haben, dankt man uns mit einem Lachen, Staunen oder Mitgefühl für unsere Darbietung. Und wenn wir Glück haben, fällt unserem Gegenüber seinerseits eine Geschichte ein, die vielleicht entfernt mit unserer zu tun hat, und mit der er uns nun unterhält. 

 

Was wir da machen? Artgerecht miteinander umgehen, einander teilhaben lassen und mit anderen mitempfinden, was sie bewegt. Wenn wir erzählen und zuhören, miteinander lachen oder betroffen sind, dann sind wir einfach Menschen.

 

Neben der Selbsterhaltung und dem Arterhalt ist meiner  Meinung nach das Geschichtenerzählen der wesentlichste Instinkt des Menschen.

Das Erzählen und Zuhören schafft Verbindungen, sorgt dafür, dass wir Gemeinsamkeiten erkennen und Beweggründe verstehen. Wir lernen uns kennen und einschätzen. Manchmal merken wir, dass wir einen Menschen aufgrund dessen, was er erzählt und wie er auf unsere Geschichten reagiert, aufrichtig zu lieben beginnen, wir erliegen dem untrüglichen Gefühl wie magisch zusammen zu gehören. Manchmal merken wir auch, dass Vorsicht geboten ist. Wenn die Geschichten oder Reaktionen des Anderen zu fremd, zu unnachvollziehbar auf uns wirken. Wir werden dann vorsichtig mit dem, was wir dieser Person erzählen.

 

Ob überhaupt und wie viel wir anderen mitteilen, hängt von vielen Faktoren ab. Zum Ersten, ob wir die Geschichte selbst für relevant halten oder ob wir vermuten, der andere fände sie interessant. Dann natürlich auch davon, ob uns die Geschichte in einem guten oder schlechten Licht erscheinen lässt, ob sie zu dem passt, was wir sonst von uns preisgeben und ob sie den Blick auf Dinge freilegen würde, die uns schmerzlich oder zu intim sind.

Mit dem, was wir erzählen, formen wir das Bild, das unsere Mitmenschen von uns haben. Was wir teilen und was nicht, beeinflusst, welche Dinge von uns in Umlauf sind und weitererzählt werden - auch wenn wir sie im Vertrauen erzählen - und wie verletzlich wir anderen gegenüber werden.

Peinliche Geschichten für uns zu behalten, sorgt dafür, dass andere sich nicht darüber lustig machen können. Wir bewahren unseren Status vor Häme und Spott. Aber wir bleiben auch einsam, weil niemand uns Mitgefühl erweisen kann, uns wieder aufmuntern oder uns wissen lassen, dass andere auch peinliche Geschichten erleben. Was unser Empfinden wieder gerade rücken könnte.

Ohne gegenseitiges Erzählen, stirbt jede Beziehung.

 

Ob wir ein Geschehen als furchtbar oder eher unbedeutend interpretieren, ist dagegen wieder eine andere Geschichte.

Ob ich vor Scham im Boden versinke, weil ich vor aller Augen einen Anfängerfehler mache, der mir nicht mehr unterlaufen sollte - oder ob ich vielleicht sogar darüber lachen kann und die Geschichte später freimütig erzähle, hängt davon ab, in welcher „großen Geschichte“ diese Episode eingebettet ist. 

Wer sich ganz sicher ist, er könnte nichts richtig machen, wäre immer ein Tollpatsch, egal, wie sehr er sich bemühte, der wird nicht über einen Fehler lachen. Dieser Kandidat erzählt sich beharrlich vom Scheitern, auch wenn ihm - fast unbemerkt - zwischendurch auch etwas gelingt.

Wer dagegen davon ausgeht, dass ein läppisches Missgeschick den grundsätzlichen Erfolg nicht schmälert, wird weiterhin das Gute sehen und dem Schlechten wenig Bedeutung beimessen.

Hier geht es um die Geschichten, die wir uns selbst erzählen.

 

Je nach Tagesform wechselt die Tonart, in welcher wir unsere Geschichten schreiben. 

Wer richtig schlechte Laune hat, dem muss schon viel Albernes zustoßen, dass er sich zum Lachen nötigen lässt. Eher steigert sich der Frust, bis aus der Gereiztheit am Morgen eine fette Tageskatastrophe geworden ist, derentwegen die Mutter zwei Wochen schmollen wird. Abends müssen wir dem Grauen mit einem Bier oder einem Bottich Eis entgegentreten und haben ein schlechtes Gewissen dabei.

 

Wer in positiver Erwartung aus dem Bett steigt, wird sein Feierabendbier vielleicht eher zum krönenden Abschluss des Tages trinken und das schlechte Gewissen vor die Tür schicken. Vielleicht. Sicher ist hier nichts. In guten Geschichten gehören überraschende Wendungen zum guten Ton.

 

Die Tagesform also. Die Frage, ob wir ausgeschlafen sind, genug essen, die Bewegungsration bekommen, die wir brauchen - und ob das gegenseitige Geschichtenerzählen, sprich: die sozialen Kontakte im Gleichgewicht sind.

 

Und dann gibt es noch die längere Version davon: die Lebensgeschichte.

Das sind unsere Erlebnisse von Geburt an, verflochten mit dem Vorleben unserer Eltern, mit der Verwandtschaft, unserer Umgebung. Eine chronologische Abfolge von Erlebnissen, von denen wir viele vergessen haben. Würden wir sie alle nacheinander erzählen, hätten wir unsere Lebensgeschichte.

Na ja. Es wäre eine Möglichkeit. Aber mit Sicherheit die langweiligste.

 

Wie wir auf unser Leben zurückblicken und wie wir es erzählen, hängt vom Standpunkt der Rückschau ab. Vor dem Streit mit der Schwester würde man vielleicht erzählen, welche Abenteuer man miteinander erlebt, welche Streiche man gespielt hat, und wie die Eltern schimpften. Manchmal wurde die Schelte ungerecht verteilt, aber die nächsten Abenteuer folgten gleich. Es wäre eine Abenteuer-Lebensgeschichte, die sich vielleicht in den Abenteuern der Erwachsenen widerspiegeln und im Nachhinein als Vorboten der späteren Furchtlosigkeit gedeutet werden.

 

Gibt es allerdings einen bösen Krach unter den erwachsenen Geschwistern und fragt dann nach der Lebensgeschichte, erfährt man sicher hauptsächlich von Streiterein, von Benachteiligung gegenüber dem anderen Kind und der ungerechten Sicht der Eltern. Die Streiche gab es nur, weil die böse Schwester die gute dazu anstiftete und später, wenn es ärger gab, alle Schuld von sich wies. Die Böse ging immer lächelnd aus dem Donnerwetter hervor. So wie heute, wenn der speichelleckende Kollege etwas verbockt hat und der Chef glaubt seinen Unschuldsbeteuerungen. Das wird eine Geschichte von Ungerechtigkeit.

 

Erinnerungen werden als Geschichten gespeichert. Jede kleine Einheit wird mit Bildern und Gefühlen verwoben abgelegt. Der Abruf erfolgt nicht mittels Barcode-Scan und auch nicht wohl geordnet Fakt für Fakt, sondern ebenso, wie sie gespeichert werden: Als Bilder und Gefühle, die sich lebendig zu einer Geschichte formen. Je nach Bezugsrahmen nehmen Erinnerungen neue Formen an. Sie schlüpfen quasi in die Uniform der gerade herrschenden Meinungsdiktatur. Die kleine Geschichte marschiert im Gleichschritt, ordnet sich der größeren unter. Was gar nicht passt, wird im Zweifel als Ausnahme in die Ecke gestellt oder komplett disqualifiziert.

 

Unser Zusammenleben: das Teilen von Geschichten.

Unser Alltag: das Erleben von Geschichten im Bezugsrahmen der Tagesform

Unser Leben: das Erinnern von Geschichten im Bezugsrahmen der Lebenssituation

 

Ja, aber: Warum?

Warum sind Geschichten so elementar für uns Menschen, was haben wir an ihnen, was uns sonst fehlen würde?

 

Sinn.

 

Unser Leben wäre ein wahlloser Strom zufälliger Ereignisse. Wir stießen einmal hier dagegen, einmal dort, schluckten mal mehr, mal weniger Wasser, mal wäre es wärmer, mal kälter. Wie es eben so ist im Leben, nicht wahr?

Es wäre gleichgültig, ob wir unseren Geldbeutel verlieren oder Nachbars Katze im Keller finden, bevor sie dort verhungert. Es wäre egal, ob wir ungewollt schwanger werden oder ungewollt kinderlos bleiben. Völlig schnurz.

Würde man von einem Stern aus auf die Erde schauen, könnte man vielleicht tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass diese für den einzelnen Menschen so weltbewegenden Dinge überhaupt keine Rolle spielen. Die Planeten drehen ihre Bahnen, unbeeindruckt davon, ob wir uns freuen oder ob wir so verzweifelt sind, dass wir lieber sterben wollen. Es stört die große Mechanik nicht, ob wir uns gegenseitig in unmenschlichen Kriegen zermalmen oder uns tirilierend und jauchzend alle an den Händen fassen.

Es ist egal. 

 

Es sei denn, das alles gäbe einen Sinn.

Vor vielen tausend Jahren schauten die Menschen ihrerseits hinauf zu den Sternen, fühlten das Kribbeln der Andacht im ganzen Körper, fühlten sich klein und bedeutungslos angesichts der kalten, herrlichen Unendlichkeit und fragten leise: Gott, bist du`s?

 

Unsere Vorfahren fragten sich dieselbe Frage, die noch heute in jedem Menschen wohnt: Wo komme ich her und wo gehe ich hin? Unser Bewusstsein erlaubt uns nach Vergangenheit und Zukunft zu fragen. Wir können darüber glatt die Gegenwart vergessen. 

Und diesen Fragen auf dem Fuße folgt die Frage, welchen Sinn das alles macht. Warum leben wir, wenn wir sterben müssen? Warum werden Kinder geboren, obwohl die Nahrung wegen der Dürre nicht reicht. Warum werden manche Menschen steinalt und andere sterben, bevor sie laufen können. Warum sind die einen krank, die anderen nicht, warum hat der eine Glück, der andere tappt von einem Problem zu nächsten. Woher nimmt der König die Macht und der Knecht die Mühsal?

 

Den Sinn stifteten lange Religionen. Sie tun es noch heute mit wechselndem Erfolg.

Religionen erzählen von Sinn, es sind Geflechte aus vielen alten Geschichten, die von herausragenden Personen und ihren Begegnungen mit dem Göttlichen erzählen. Daraus abgeleitet gibt es Verhaltensregeln.

Gott hat nun die Erde und den Menschen gemacht - Schöpfungsgeschichten hat jede Kultur. Denn nur in eine Geschichte eingebettet, macht die Existenz Sinn, nur in Geschichten eingebettet, lässt sich verstehen, warum es den Menschen, sein Hoffen und seinen Schmerzt gibt, warum es Hierarchien gibt, warum Regeln zu befolgen sind.

Religiöse Geschichten verbinden Menschen zu „Völkern“, die sonst nichts miteinander zu tun haben. Geschichten, die gemeinsame Identität stiften, schaffen Länder und Kulturen. Sie rücken Individuen zusammen, die sonst nicht viel gemeinsam haben müssen und geben ihnen das Gefühl, in einem sinnvollen Gefüge zu leben und im Trost ihrer Religion geborgen zu sein. Sie haben einen Lebenssinn gewonnen.

 

Geschichten, die eine gemeinsame Identität stiften, sind aber auch die Grundlage dafür, dass tausende einzelner Menschen für etwas „Großes“ zusammen in Kriege ziehen.

Seit jeher wurden Geschichten von Verrat und Niedertracht genutzt, Menschen in Kämpfe zu führen und Menschen, die mit anderen Geschichten leben, als nicht gleichwertig zu verstoßen.

Das ist die trennende Fähigkeit von Geschichten. Die, die zu Leid und Blutvergießen führt, das nüchtern, faktisch betrachtet, für den einzelnen Kämpfer nicht notwendig gewesen wäre und sicher auch kein Genuss.

Heldengeschichten, die Mär vom Märtyrertod und der Ruhm der Gefallenen machen Menschen verachtende Taten zu etwas Erstrebenswertem.

 

Der Mensch, der nun mal nach Sinn und Zusammengehörigkeit strebt, tut sich schwer, im Geschichtengestrüpp den Überblick zu gewinnen, das um ihn gewoben wird. 

Besonders, wenn ihm sonst nichts Sinn stiftend oder erstrebenswert genug erscheint, wird er empfänglich für die verrücktesten Geschichten - wenn sie ihm nur überzeugend dargeboten werden. Und je geringer die Kontakte zu anderen Arten von Geschichten, zu anderen Versionen der Realitäts-Interpretation werden, desto größer die Gefahr, dass es aus der ursprünglichen Lockgeschichte kein Entrinnen gibt.

Je weiter man ihr folgt, desto unwahrscheinlicher wird die Sicht Andersdenkender. Ein Geschichtengeflecht kann zur Falle werden. Für die einen führt es in den Dschihad, für andere in Verschwörungstheorien oder in das bestimmte Gefühl, verfolgt zu werden.

 

Aber Geschichten tun noch mehr:

Jede Glaubensrichtung, jede Szene - Rechte, Linke, Ökos, Hundeherrchen, Raucher, Vegetarier, Jogger, Caravaner, Recycler, Konservative und hunderte andere - IST eine eigene Geschichte.

Jede dieser kaum fassbaren und ineinanderfließenden Gruppen bietet einen Sinn, erzählt von Gut und Böse. Von ihrem Anfang und von dem Ziel, das sie anstrebt, aber wegen zahlreicher Verwicklungen schwer erreichen kann. Was Gut und Böse ist, hängt am Standpunkt der Betrachter. Wer mitspielen will, muss sich in diese Geschichte fügen, dasselbe Gut und dasselbe Böse finden.

 

Wer später auf die Idee kommt, anders zu denken, muss sich neue Freunde suchen. 

Der Nicht-Mehr-Raucher wird es schwer haben mit den weiter Rauchenden Freunden, die ihr verbrieftes Recht auf Lungenkrebs verteidigen. Vielleicht ist es deshalb  so schwierig, Verhaltensweisen zu ändern: Man müsste den Bezugsrahmen ebenfalls tauschen, an dem das abzulegende Verhalten hängt. Inmitten von Rauchern hört man das Rauchen nicht auf, inmitten von Fastfood-Junkies wird man schwer zum Gesundheitsapostel.

Aber man mag die Leute gerne, die man gut und lange kennt. 

Man findet auch nicht unbedingt gleich Anschluss an ein neues Freundesnetz. Es sei denn, man wäre ein reuiger Bekehrter, der schwört, seine Vergangenheit zu verdammen und in Zukunft militanter Nichtraucher zu sein...

 

Wer sich nicht gerne klar und mit allen Konsequenzen auf eine Seite schlägt, sondern sich vorbehält, im Einzelfall nach dem eigenen Empfinden zu entscheiden, tut sich manchmal schwer, zu Gruppen dazuzugehören. Doch auch das hässliche Entlein hat eines Tages seinen Schwarm gefunden und so ist die Suche nach Zugehörigkeit und Anerkennung mit allem Drum und Dran eben auch - eine Geschichte. Eine, die viele Menschen umtreibt.

 

Ja, und welchen Sinn macht das jetzt?

Wie wir im Großen nach Sinn suchen, in unserem Dasein, in unserem Glauben, in unserer Eigenschaft als Bürgerinnen eines Landes, als Zugehörige einer Schicht, einer Szene, so suchen wir auch im Alltag nach Sinn.

Damit wir nicht haltlos mal hierhin, mal dahin schlagen, die Orientierung verlieren und handeln, ohne, dass wir erreichen, was für uns nützlich ist, brauchen wir Geschichten.

 

Alles, was uns passiert, was wir hören, sehen, erzählt bekommen, gleichen wir mit dem Bezugsrahmen unserer Tagesform, mit unserem Schatz an Lebenserfahrung und der aktuellen Version unserer Lebensgeschichte ab und wissen dann, ob wir das gut oder schlecht finden und wie wir darauf reagieren. 

Und selbst, wenn wir eine Episode nicht sinnvoll einfügen können, suchen wir doch nach ihrer Bedeutung in sich selbst. Wir suchen den Anfang der Geschichte, die Zwickmühlen und Hindernisse und die Pointe daran. Wenn es schon keinen Sinn macht, wollen wir wenigstens lachen. Fertig ist eine neue Anekdote, die wir bei passender Gelegenheit erzählen.

 

So also wird jede kleine Geschichte zu einem Teil der großen Geschichte. Zu einem Teil von uns. Wir eignen uns unsere Erlebnisse an, indem wir sie zu Geschichten handlich zusammen schnüren und in die Ablage packen. Vielleicht ergibt sich eines Tages ein Grund, das Päckchen wieder hervorzuholen und den Inhalt neu zu interpretieren - oder aus den abgelegten Teilen ein größeres Ganzes zusammenzufügen.

 

Ganz, wie es uns gefällt.