Der Beginn einer Mammutaufgabe

Am Anfang stand der große Traum, eines Tages doch noch die Schriftstellerin zu sein, die ich schon so lange werden wollte. Also griff ich eines Tages zu Papier und Stift, später zum Laptop und tat was zu tun war: Ich schrieb mal eben einen Roman.


Ein großes Abenteuer nahm seinen Anfang, ich traf eine Figur, Maria, fand Handlungsschnipsel, legte nach und nach eine Geschichte frei, die mich fesselte und dazu antrieb, weiter zu machen, auch wenn immer wieder Zweifel auf der Bildfläche erschienen. Nach vielen Wochen war die erste Fassung fertig.

 

Die natürlich überarbeitet werden musste. Das erledigte ich ebenso motiviert wie das Schreiben zuvor. Doch mich ließ das dumpfe Gefühl nicht los, dass mein Text trotz aller Mühen nicht so gut war, wie er hätte sein sollen. Er hatte nicht die richtige Gestalt, doch mir fehlte es an der Erfahrung und schlicht am Können, ihm zu der Form zu verhelfen, die ihm zukam.

 

So lag dieser Text, rund 480 Normseiten, lange Zeit auf meiner Festplatte. Ich schrieb stattdessen unzählige Kurzgeschichten, die irgendwann tatsächlich so lesenswert wurden, dass sie hier und da in eine Anthologie oder in die engere Auswahl bei Wettbewerben kamen. Dann folgten längere Texte. Zu kurz, sie einen "Roman" zu nennen, zu lang für das Format "Kurzgeschichte". Langsam dehnte sich mein Rahmen ganz von selbst weiter aus, ich arbeitete an den verschiedensten Textformen, mit verschiedenen Mitteln. Verfiel auf die Idee, alle Adjetive ausradieren zu müssen, schwenkte zurück auf überbordenen Gebrauch von klangvollen Füllwörtern,  probierte unzählige Schreibregeln aus und kam zu dem Schluss, dass sie alle nur bedingt und maßvoll eingesetzt ihre Gültigkeit hatten. Einfach gesagt: ich übte.

 

Vier Jahre sind vergangen, seit ich mich wild entschlossen in meinen ersten Roman gestürzt habe. Aber obwohl ich zwischenzeitlich viele tolle Texte schreiben durfte, hat mich diese eine, allererste große Geschichte  niemals losgelassen. Die Figuren waren immer noch da, die eine oder andere Szene tauchte immer wieder auf und sagte mal kurz Hallo. Ich wusste also, da war noch etwas zu tun. Die Geschichte wollte nicht so, wie sie war, auf der Festplatte liegen. Sie wollte mehr und sie hatte es verdient, denn sie war ganz und gar besonders.

 

Es brauchte noch einige Monate, in denen ich mich wand, versuchte, mich zu weigern, dann doch den Entschluss fasste, es zu tun - und trotzdem lieber nicht damit anfing. Doch dann beschloss ich, einfach mal so zu tun, als ob ich es tun wollen würde. Ich druckte meinen Text. Legte mir Richtlinien für die Überarbeitung zurecht. Sorgte für ein Klemmbrett, das mir erlauben sollte, überall an meinem Text zu arbeiten. Bündelte die ausgedruckten Kapitel zu handlicheren Päckchen. Trotzdem blieb die vage Angst, tatsächlich mit dem Lesen zu beginnen und mich mit den Tatsachen zu konfrontieren. Ehrlich gesagt: Ich wollte gar nicht wissen, wie schlimm es wirklich um meinen Text stand.

 

Gestern habe ich angefangen.

Puh, das hat mich schon mal erleichert. Obwohl ich schnell merken musste, dass mein vier Jahre alter Text sehr viel Verbesserungspotential hat, dass ich den Anfang ganz anders gewichten muss, die Figuren anders zeigen, praktisch jede Dialogzeile irgendwie peinlich klingt und ich viele Sachen ganz falsch angegangen bin. Ich bin erleichtert, weil ich begonnen habe und nun sehe, was zu tun ist. Und weil ich merke: Ich kann jetzt etwas tun, ich verstehe jetzt, was nicht stimmt und kann es ändern. Auch wenn das viel Arbeit bedeutet, wenn ich jedes Wort einzeln umdrehen, ausschütteln und neu anordnen muss. Ich bin in Bewegung und das ist um Welten besser, als nur an die Bewegung zu denken und sich im Widerstand dagegen zu ergehen.

 

Abgesehen davon bin ich auch ein bisschen stolz auf mich. Die letzten Jahre haben sich gelohnt. Ich habe so viel dazu gelernt und sehe tatsächlich eine reelle Chance für meinen Roman, ein verdammt guter zu werden. Das macht mich ziemlich froh. Wie die Tatsache, dass diese Geschichte tatsächlich so viel Herz und Magie in sich trägt, wie meine Erinnerung mir immer wieder flüsterte.

 

Es ist an der Zeit, den Diamanten zu schleifen und ihm seine endgültige Fassung zu verleihen. Ich bin froh, diese Chance jetzt zu haben und den ganzen Weg bis hierher gegangen zu sein. Auch wenn ich oft nicht an mich glauben konnte und manchmal vergessen habe, warum ich das alles überhaupt auf ich nehme, statt mich einfach aufs Sofa zu lümmeln und es anderen zu überlassen, ihren Träumen zu folgen.

 

Ich habe dich vermisst, Maria ...